Wieder einmal lesen Hunderttausende Saarländerinnen und Saarländer in der Saarbrücker Zeitung vom Samstag/Sonntag 20. November 2021 im Wirtschaftsteil auf Seite A 7 eine Überschrift wie die folgende: „Lagarde will Politik des billigen Geldes vorerst beibehalten“. Es handelt sich um einen (Auszug aus einem) Artikel der Deutschen Presseagentur (dpa). Das bedeutet, dass in ganz Deutschland Millionen von Menschen einen solchen oder ähnlich lautenden Artikel in Druck- und digitalen Medien lesen können.
Wieder einmal bekommen Bürger und Bürgerinnen einen Text präsentiert, der mehr desinformiert als informiert und aufklärt. Es liegt dem Autor fern, hier böse Absichten zu unterstellen. Nein, es wird einfach nicht besser gewusst, auch von vielen Wirtschaftsjournalisten und Wirtschaftsjournalistinnen nicht.
Auf jeden Fall aber wird der Artikel seine unheilvolle Wirkung voll entfalten. Die Menschen werden glauben, dass Frau Lagarde, also die EZB (Europäische Zentralbank) die Inflation befeuert. Und da viele Menschen Zentralbank und Staat in einen Sack werfen, werden Staaten bzw. Regierungen auch gleich mit auf die Anklagebank gesetzt. Obwohl das zumindest im Falle von konservativen und marktliberalen Regierungen gar nicht so unberechtigt ist, ändert es nichts an der Tatsache: die EZB ist der Sündenbock. Auch der Verweis von Lagarde auf nur vorübergehende „Inflationsschocks“ ist nicht falsch, ändert aber nichts an der schuldzuweisenden Ausrichtung des Textes.
Die Leute werden glauben, dass die Milliarden, die die EZB jede Woche in das Bankensystem schleust, Inflation verursachen. Punkt!
Informativer wäre die Überschrift schon einmal, wenn sie lauten würde „Lagarde will Politik des billigen Geldes für Kredite vorerst beibehalten“.
Vor allem müssten die Menschen gesagt bekommen. Das Geld, das die Zentralbank ausgibt, ist nicht das gleiche Geld wie das, das sie auf ihren Girokonten haben. Es ist digitales Zentralbankgeld, man spricht auch von Reserven. Dieses digitale Zentralbankgeld fließt jedoch AUSSCHLIESSLICH zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken (Deutsche Bank, Sparkassen etc.).
Ob dieses Zentralbankgeld bei den möglichen Kreditnehmern (private Haushalte, Unternehmen und Staat) ankommt, darüber entscheidet NICHT die Zentralbank, sondern die Geschäftsbanken entscheiden dies. Denn nur sie vergeben Kredite. Staaten müssen genauso bei Geschäftsbanken „vorsprechen“, um einen Kredit gewährt zu bekommen, wie eine Unternehmerin oder Fritzchen Maier.
Die Zentralbank hat NICHT das Recht, DIREKT Kredite an private Haushalte, Unternehmen oder Staat zu vergeben. Im Falle der Haushalte und Unternehmen mag das hinnehmbar sein. Für ein demokratisches Staatswesen äußerst problematisch ist es jedoch, dass davon auch der Staat betroffen ist. Die Geschäftsbanken haben sich nach einem langen historischen Machtkampf ZWISCHEN die Zentralbanken UND den Staat als Kreditnehmer geschoben. Warum? Weil sie kräftig daran verdienen können. Wir als einfache Bürger haben auch nicht mehr die Möglichkeit, unserer Regierung direkt unser Geld zur Verfügung zu stellen. So, wie es z.B. mit den Bundesschatzbriefen einmal möglich war. Diese Direktfinanzierung war den privaten Banken ein Dorn im Auge. Deshalb wurde sie 2013 – unter kräftiger Mithilfe des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble – eingestellt.
Solche Artikel, wie der in der Saarbrücker Zeitung und vielen anderen deutschen Medien tragen dazu bei, dass das rentable Ergebnis des Machtkampfes für die Geschäftsbanken und deren private Gläubiger und Aktionäre nicht in Frage gestellt wird. Sie tragen dazu bei, möglichst jeden Tag Schuldige zu benennen. Und diese sind für die Inflation verantwortlich. Also die Zentralbank und da – wie schon gesagt – die meisten Menschen „Zentralbank“ gleichsetzen mit „Staat“, ist der Staat genauso der Schuldige.
Doch wie ist die Realität? Die Geschäftsbanken sind die Schleuse, die Verteilstelle des „billigen Geldes“, das sie als Kredite weiterreichen sollen. Sie sollen dafür sorgen, dass dieses Geld bei den drei genannten Kreditnehmer-Gruppen ankommt. Wenn es dort über die Kreditvergabe tatsächlich ankommt, dann kommt es NICHT in Form von digitalem Zentralbankgeld an, sondern in Form von GIRALGELD (Bankengeld) auf den Girokonten der Bankenkunden an. Es wurde also „umgetauscht“ in privates Bankengeld. Dieses Recht haben sich die Geschäftsbanken ebenfalls angeeignet, obwohl darüber nie öffentliche und demokratische Diskussionen geführt wurden. Also wieder so ein Ding, über das die Menschen nie aufgeklärt werden.
Um ganz genau zu sein. Ein ganz klein wenig Zentralbankgeld kommt tatsächlich bei den Menschen an. Nicht in Form von digitalem Zentralbankgeld wie bei den Geschäftsbanken. Es kommt an in Form von anfassbarem Bargeld. Das macht aber inzwischen nur noch maximal 3% in der Geldmenge aus. 97 % sind Giralgeld. Mit 3 % ist wenig Inflation anzurichten.
Nur nebenbei sei an dieser Stelle erwähnt, dass zurzeit eine lebhafte Diskussion darüber geführt wird, ob die Zentralbank jedem Bürger ein Konto einrichten darf, auf dem dieser digitales Zentralbankgeld (= digitales Bargeld) abheben kann. Auch hiergegen laufen die Geschäftsbanken Sturm, weil sie befürchten, dass die Kunden ihre Girokonten räumen und ihre Einlagen auf das Zentralbankgeldkonto verschieben. Durch Geldobergrenzen wird versucht, den Geschäftsbanken nicht zu wehzutun. Leider ist der Widerstand der Zentralbanken dagegen sehr gering.
Dieser kleine Abstecher macht zusätzlich deutlich, warum die Geschäftsbanken alles dransetzen, dass auch der geringe noch verbliebene Teil von anfassbarem Bargeld verschwinden soll. Wenn auch dieser geringe Teil verschwindet, dann ist das gesamte Geld, das ihnen von der Zentralbank zufließt, digital. Und dieses digitale Zentralbankgeld soll nur ihnen zufließen, nicht aber den Bürgern direkt. Dann und nur dann können sie zu 100 % über die Kreditverwendung des „billigen Geldes“ bestimmen.
Die entscheidende Frage ist die folgende: Wer hält den Schlüssel zur Inflationserzeugung oder Nichterzeugung tatsächlich in der Hand? Es sind die Geschäftsbanken. Allerdings vergeben sie mittlerweile nur noch 50 % der „klassischen“ Bankenkredite. Sie unterliegen (immer noch mehr schlecht als recht) bestimmten Regulierungen der Zentralbank. Die anderen 50 % der Kredite werden im unkontrollierten Schattenbankensystem vergeben. Im „Schatten“ wie gesagt, damit die Öffentlichkeit nicht so genau erkennt, was da passiert. Dieses Schattenbankensystem ist nun wiederum eng verbunden mit den klassischen Banken. Die Menschen sollten wissen, dass in diesem System zunehmend auch große Vermögensverwalter wie Blackrock, Pensionsfonds etc. eine unheilvolle Rolle im Kreditgeschäft spielen.
Schauen wir uns näher an, wie sie sich die Kreditvergabe im klassischen Bankensektor darstellt. Das ist deshalb so wichtig, weil der Kredit der entscheidende Motor für inflationäre Entwicklungen ist.
Kein Niedriglohnempfänger wird zur Bank gehen und um einen Kredit nachfragen. Zum Beispiel, weil er mehr Geld haben möchte, um besseres Fleisch essen zu können oder um seine Miete zu bezahlen. Täte er es, bekäme er den Kredit gar nicht. Bedürftige bekommen keinen Kredit. Vielleicht bei irgendwelchen kriminellen Kreditjägern. Die fallen aber nicht ins Gewicht. Wir sprechen hier dagegen von „seriösen“ Kreditgebern. Von Inflationsgefahr durch den Niedriglohnempfänger kann jedenfalls keine Rede sein.
Nehmen wir an, ein Ehepaar mit einem Einkommen, das oberhalb, aber nicht allzu sehr über dem des Niedriglohnempfängers liegt, geht zur Bank. Es möchte einen Kredit für die eigene Eigentumswohnung oder ein eigenes Häuschen bekommen. Es dürfte allergrößte Schwierigkeiten haben, da die Preise im Immobilensektor schon längst auf Höhenflug sind. Warum, darauf wird noch eingegangen. Für das Ehepaar aber heißt es, unfinanzierbar. Der Kredit wird nicht gewährt, keine Inflationsgefahr. Zu riskant für die Bank.
Wie sieht es bei den Unternehmern der sogenannten Realwirtschaft aus, also die Unternehmen, die handfeste Dinge produzieren (lassen von ihren Lohnabhängigen)? Die also, die den Kredit am produktivsten verwenden können, wenn sich die Investition rentieren wird. Auch sie drängen sich schon seit Jahren nicht mehr vor, um Kredite zu bekommen. Zuviel Unsicherheit und Unwägbarkeiten bei dem Chaos auf den „Weltmärkten“. Von den inflationären Tendenzen im Bereich der (bezeichnenderweise zunehmenden) Luxusgüterproduktion sehen wir einmal ab. Damit sollen die sich die rumschlagen, für die es keine Rolle spielt, ob sie 50 000 oder 100 000 Euro für eine Armbanduhr oder 300 000 Euro für eine Luxuskarrosse ausgeben.
Und wie steht es um den Staat, die Regierungen? Der Staat ist eigentlich ein gern gesehener Kreditnehmer, denn er kann die größten Sicherheiten bieten. Er hat ja die Arbeitskraft „seiner“ Bürger als Sicherheitsgarantie im Kreuz. Er bietet das am meisten begehrte Wertpapier, die Staatsanleihe. Aber dennoch. Ihm wird das Leben als Kreditnehmer ziemlich schwer gemacht. Er soll sich nicht zu sehr in Bereiche einmischen, wo private Investoren viel Geld verdienen können. Zum Beispiel bei Investitionen in die öffentliche Infrastruktur. In den USA werden mittlerweile schon Gefängnisse von privaten Investoren finanziert. Warum denn nicht auch bei uns Autobahnen, Krankenhäuser, Altersheime usw.
Und dann ist da ja noch die Schuldenbremse. Eigentlich müsste es heißen „Schuldenobergrenze“. Der Staat soll sich schon noch verschulden bei privaten Geschäftsbanken. Er ist ja ein „guter“ Kreditkunde. Er soll sich verschulden, aber nur dort, wo es nicht viel zu holen gibt. Zum Beispiel: er soll sich verschulden für den Gleisbau, aber aus dem Zugverkehr sollte er sich am besten raushalten. Die Rendite, die dort zu erwarten ist, soll privaten Investoren zufließen. Allein in Nordrhein-Westfalen lassen sich schon etwa zehn solcher Privatbahnen zählen.
Und warum soll sich der Staat nicht zu sehr verschulden? Weil er auch weiterhin die Geld-Feuerwehr spielen soll für den Fall, dass sich die Kreditinstitute wieder einmal bei der Kreditvergabe überhoben haben. So wie bei der Finanzkrise 2008, aber auch bei vielen Hunderten kleiner Finanzkrisen, von denen der Normalbürger gar nichts mitbekommt. Diese Krisen werden ständig hinter dem Rücken der Öffentlichkeit im „Zusammenspiel“ zwischen Geschäftsbanken, großen Vermögensverwaltern, (leider auch) Zentralbanken und Regierungen „geregelt“.
Kann der Staat unter diesen Bedingungen ein Inflationserzeuger sein? Ganz und gar nicht. Grundsätzlich gilt für staatliche Investitionen folgender Grundsatz. Wenn sie die Lebensqualität des größten Teils der Bevölkerung steigern, KÖNNEN sie KEINE Inflation erzeugen. Investitionen in saubere Luft und Gewässer, in gut ausgestattete Krankenhäuser und gut ausgebildetes und bezahltes Personal, in gute Kitas und das Betreuungspersonal, in eine flächendecke digitale Infrastruktur in Verwaltung, Schulen, Universitäten u.v.m. steigern die Lebensqualität. Und sie vermeiden Kosten, die der Gesellschaft dadurch entstehen, dass diese Investitionen unterbleiben: Krankheiten, schlechte gesundheitliche Betreuung der Bevölkerung, Drogenbekämpfung, Kriminalität, schlechtes Bildungs- und Ausbildungsniveau, schlechte Qualität der gesellschaftlichen Kommunikation.
Worin also liegen im derzeitigen Geld- und Finanzsystem die Hauptursachen von Inflation?
Sie liegen darin, dass Kredite NICHT für die qualitative Verbesserung der Lebensbedingungen des Großteils der Bevölkerung vergeben werden, dass sie nicht für die breite Versorgung der Bevölkerung mit eigenem oder bezahlbarem Wohnraum dienen, dass sie nicht in genügendem Maße für unternehmerische Investitionen in Anspruch genommen werden, die eine ausreichende Rendite garantieren und gleichzeitig die Lebensqualität des Großteil der Bevölkerung verbessern: gesunde Nahrungsmittelproduktion, Häuser mit guter Wärmedämmung, Fahrzeuge mit niedrigstem Energieverbrauch usw. Sie liegt darin, dass es dem Staat in unverantwortlicher Weise schwer gemacht wird, Geld für Investitionen auszugeben, die der Lebensqualität des Großteils der Bevölkerung zugutekommen: gute öffentliche Schwimmbäder, Sportanlagen, öffentlicher Nahverkehr und bezahlbarer Wohnraum mit hohem Qualitätsstandard usw.
Sie liegen darin, dass Kredite nicht oder nicht in ausreichendem Maße für die vorgenannten Investitionen vergeben werden, sondern für Kredite, die nur einem kleinen Teil der Bevölkerung eine Rendite bringen. Und dafür, dass das so ist, sind die Kreditgeber, also die Geschäftsbanken, in erheblichem Maße verantwortlich. Zwei Beispiele, die das besonders deutlich machen.
Das erste liefert der Immobiliensektor. Das „billige Geld“, das den Banken von der Zentralbank zur Verfügung gestellt wird, lenken die privaten Kreditgeber auf den Immobilenmarkt. Dort kommt es großen Investoren zugute. Diese haben kein Interesse darin, Wohnraum für sich selbst zu schaffen. Damit sind sie schon bestens versorgt. Ihr Hauptinteresse besteht darin, die erstellten Immobilien so gewinnbringend wie möglich an vermögende Privatpersonen zu verkaufen. Beste Beispiele in Saarbrücken sind die neuen Wohngebiete am Franzenbrunnen oder die Millionenimmobilien, die auf dem Triller auf dem ehemaligen Röchlinggelände entstehen. Diese Immobilien werden entweder von den Eigentümern, die diese Wohnungen von den Großinvestoren gekauft haben, selbst genutzt oder aber sie werden von diesen Eigentümern wieder an zahlungskräftige Mieter vermietet zu Mieten ab 1000 und mehreren Tausend Euro aufwärts. Die Eigentümer werden also selbst zu Sub-Investoren, die ihre Rendite machen. Andere Wohnbauprojekte in Saarbücken mit gleicher Renditeausrichtung werden hinzukommen. Die Preise, die hier erreicht werden haben inflationäre Ausmaße erreicht. Deshalb spricht man – hinter vorgehaltener Hand, aber richtigerweise, von einer Immobilienpreisinflation.
Das zweite Beispiel liefert der Wertpapiersektor. Auch hier sind die Geschäftsbanken wiederum äußerst eifrig am Werk. Sie wollen unbedingt von ihren Geldbergen „billigen Geldes“ herunterkommen. Diese haben sich auf ihren Konten angesammelt, die sie bei der Zentralbank einrichten müssen. Denn auf diese Konten überweist die Zentralbank das „billige Geld“. Wie versuchen die Geschäftsbanken, von diesen Bergen herunterzukommen? Sie haben sich dafür zwei Adressatengruppen ausgesucht.
Einmal die Masse der kleineren Sparer. Negativzinsen nagen schon am Ersparten. Was tut der Sparer mit seinen 20 000 oder auch seinen 100 000 Euro? Für eine Immobilie reicht es nicht, die ist zu teuer. Verschulden dafür, will er sich auch nicht. Die Geschäftsbanken bieten die Lösung. Die 70- und Über-70-Jährigen etwa sollen ihre Spargelder in Aktien langfristig anlegen. Nur die langfristige Aktienlage bringe eine sichere Rendite. Vielleicht lässt sich die Anlage noch mit ein wenig Kredit unterfüttern, umso besser. Auch Kleinvieh macht Mist und den Geldberg kleiner. Das Ganze soll der Altersvorsorge dienen. Ob der 70-Jährige noch in 15 Jahren am Leben ist, interessiert nicht. Das ist schließlich dessen Problem. Hauptsache mit der Wertpapiervermittlung ließ sich ein gutes Geschäft machen und das Zentralbankkonto konnte ein wenig geräumt werden.
Die zweite Adressatengruppe besteht aus vermögenderen Kunden. Da geht es dann schon in die Hunderttausende oder Millionen. Die schöne Eigenimmobilie ist schon längst vorhanden, kein Bedarf. Was also bleibt noch als Lösung? Ebenfalls das Wertpapier, vielleicht auch Gold, beides aber nicht bzw. nicht unbedingt als Altersvorsorge. Darum braucht man sich in aller Regel keine Sorgen mehr zu machen. Die vorhandenen oder noch zu erwartenden Einnahmequellen werden reichen. Als Lösung bleibt das Wertpapier als Spekulationsobjekt. Für Aktien aber auch für hochriskante Wertpapiere bis hin zu Derivaten. Also so etwas wie Wett-Papiere, von denen es mittlerweile schon Millionen geben soll. Bei vermögenden Spekulierern sind die Geschäftsbanken sehr schnell mit kräftigen Krediten zur Stelle, um das vorhandene eigene Kapital der Spekulierer noch einmal aufzustocken. Man nennt das „Hebeln“ von Krediten. Also wieder eine Chance, den Geldberg abzubauen. Geht die Spekulation auf, erhöht sich die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals um ein Vielfaches. Geht sie schief, sind die Verluste groß, aber die lassen sich verkraften. Man hat ja genug Vermögen. Die Geldmassen, die in die Spekulation hineingesteckt werden, also in Investitionen, die nicht produktiv sind, die keine Maschine finanzieren, sondern allein dazu dienen, aus Geld mehr Geld zu machen, erreichen heutzutage Billionenbeträge. Sie stellen unvorstellbare Geldblasen dar.
Wenn man also seriös und ehrlich von Inflation sprechen möchte, dann muss man auf den Immobilenmarkt und den Wertpapiermarkt verweisen. Hier findet in der Tat Inflation im großen Stil statt. Es ist eine Inflation, die wesentlich von den sehr Vermögenden unserer Gesellschaft erzeugt wird. Hier dürfte die eigentliche Ursache liegen, warum immer dann, wenn von Inflation die Rede ist, das „billige Geld“ der Zentralbanken vorgeschoben wird. Ross und Reiter brauchen nicht genannt zu werden.
Man muss auch darauf hinweisen, dass teure Energiepreise zwar die Kaufkraft der Menschen stark schwächen, dass diese Verteuerungen aber nichts mit dem „billigen Geld“ der EZB zu tun. Hier spielen äußere wenig beeinflussbare Faktoren eine große Rolle.
Zu wünschen wäre, dass den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes von unseren Papier- und digitalen Medien gesagt wird, was die Geschäftsbanken mit diesem Geld machen und das, was sie nicht damit machen (können oder wollen).
Folgende Bemerkungen sind allerdings noch notwendig. Sie sind notwendig, damit keine Missverständnisse auftreten. In den vorstehenden Ausführungen sollte keineswegs dem „billigen Geld“ das Wort geredet werden. Es wurde erklärt, warum das „billige Geld“ nichts mit Inflation zu tun hat.
„Billiges Geld“ gibt es in der Tat, aber in einem anderen tunlichst verschwiegenen Zusammenhang. Die folgenden Erklärungen sollen das verständlich machen.
Zentralbanken haben mit ihrer Null- und Negativzinspolitik jenes Instrument aus der Hand gegeben, mit dem sie auf inflationäre Entwicklungen nehmen können. Aber nur dann, wenn ein Wirtschaftssystem nicht durch einen ausufernden Finanzmarkt aus den Fugen geraten ist. Wenn das nicht so wäre, hätten sie immer noch die Möglichkeit, auf Inflationsursachen einzuwirken, die im realwirtschaftlichen, produktiven Sektor ihren Ursprung haben. Die Rede ist von dem Leitzinsinstrument. Mit diesem war es einmal möglich, durch Kreditverteuerung oder Kreditverbilligung dafür zu sorgen, dass immer nur so viel Geld im Geldkreislauf drin ist, wie es für ein „gesundes“ Wirtschaftswachstum notwendig ist. Auf die historische Entwicklung, die diese Einwirkungsmöglichkeit immer weiter abschwächte, wird hier nicht eingegangen.
Das Leitzinsinstrument zeigt seit vielen Jahren keine Wirkung mehr. Die ebenso verzweifelte wie offenbar ohnmächtige Reaktion der Zentralbanken darauf besteht darin, die Zinsen auf Null und sogar bis in den Minusbereich zu senken. Das ist absurd und keinem Bürger und keiner Bürgerin mit gesundem Menschenverstand zu vermitteln. Die gesamte kapitalistische Wirtschaftsordnung stellt sich damit selbst in Frage. Zentralbanken sind an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig. Sie stellen dadurch in erheblichem Maße ihren Neutralitäts- und Unabhängigkeitsanspruch in Frage. Sie können sich nicht freisprechen von dem Vorwurf, dass sie den Renditemöglichkeiten, die auf den Finanzmärkten bestehen, wenig Widerstand entgegengesetzt haben. Zu Lasten vernünftigen wirtschaftlichen Handelns in der Realwirtschaft. Dass auch wirtschaftsliberale Regierungen weltweit wenig Widerstandskraft gegen diese Entwicklung gezeigt haben, ist in demokratischen Staatsformen nicht hinnehmbar.
Kritische Ökonomen, die sich intensiv damit beschäftigen, was zurzeit auf dem Finanzmarkt geschieht und welche fragwürdige Rolle finanzmarktfreundliche Zentralbanken und Regierungen dabei spielen, machen auf das Riesenproblem aufmerksam. Die Rolle von Zentralbanken kann nicht darin bestehen, Krisenfeuerwehr im Dauereinsatz zu „spielen“, um ein bis in die Grundfesten instabiles System vor der ständig lauernden Gefahr des Zusammenbruchs zu bewahren.
Das Feuer, das sie ständig löscht, löscht sie mit „billigem Geld“. Da, und nur da, hat der Begriff „billiges Geld“ seine volle Berechtigung.
Franz Schneider, Saarbrücken