Ist die Saarbrücker Zeitung „unabhängig“ und „objektiv“?

Gastbeitrag von Franz Schneider, Kontakt: FranzSchneider-France@gmx.de

Es ist bemerkenswert, dass der Chefredakteur der Saarbrücker Zeitung, Peter Stefan Herbst, versucht, der Leserschaft die Qualität der Kommunikation in unseren Medien zu erklären. Es war höchste Zeit, dass er sich einlässt. M.E. viel zu spät.

In seinem Kommentar „in eigener Sache“ (siehe Anhang unten) „Wir lassen uns nicht einschüchtern“ spricht er von den „sozialen Medien“ und von „seiner“ Zeitung.

Allem, was er zu der Diskussions-Unkultur in den sozialen Medien (er nennt Facebook, Telegram) schreibt, ist wenig entgegenzuhalten. Niemand hat das Recht, Menschen mit anderer Meinung zu beleidigen und zu bedrohen. Das ist unstrittig.

Auf eine Kritik, die sich auf die redaktionelle „Bearbeitung“ von Leserbriefen bezieht, verzichte ich an dieser Stelle. Meine Kritik an seinem Kommentar möchte ich auf einen Punkt beschränken.

Der Begriff der „Pressefreiheit“ selbst wird von Stefan Peter Herbst an keiner Stelle seines Kommentars problematisiert. Pressefreiheit wird unangreifbar als „unabhängiges“ und „objektives“ Konstrukt „gesetzt“. In der Wissenschaft spricht man von einem Axiom. In Mathematik und Physik mögen Axiome – eine stärkere – Gültigkeit beanspruchen, nicht aber in solchen Disziplinen, in denen es um „Kommunikation“ geht. Kein Kommunikationsmedium hat das Recht, für seine „Pressefreiheit“ axiomatische Gültigkeit zu beanspruchen.

Es ist ein Leichtes, jeden Tag nachzuweisen, dass die Saarbrücker Zeitung einen „ideologischen“ Standort hat. Jede Meinung hat einen „Standort“ und ist in diesem nicht vermeidbaren Sinne „ideologisch“. Negativ, destruktiv, gesellschaftsschädigend wird Ideologie dann, wenn sie ihren eigenen Standort nicht offenlegt und versucht, ihn als allein gültigen darzustellen.

Die SZ müsste also ihrer Leserschaft mitteilen, dass sie z.B. gegenüber Forderungen von Gewerkschaften und Arbeitnehmern einen durchweg kritischeren Standpunkt vertritt als gegenüber dem, was auf den Finanzmärkten oder in Vorstandszimmern deutscher Unternehmen oder Banken vor sich geht. Sofern sie über Letzteres aus Gründen der „Objektivität“ überhaupt etwas berichtet.

Die SZ müsste mitteilen, dass sie ihrer Leserschaft Kritik an der Medikamentenindustrie, der Lebensmittelindustrie u.a. nur in sehr geringen Dosen – wenn überhaupt – verabreicht. Wie sollte sie das auch tun dürfen, wenn Werbeanzeigen dieser Industrien immer mehr Raum auf den Seiten der Zeitung beanspruchen.

Die SZ müsste ihrer Leserschaft mitteilen, dass sie die Sicht auf die Welt mit den von ihr benutzten Nachrichtenquellen wie t-online.de, welt.de und Focus online de teilt und andere Quellen bewusst ausschließt.

Ein Blick auf die Seiten von welt.de von heute (19.2.2022) genügt, um zu wissen, wer im Ukraine-Konflikt der alleinige Schuldige ist, Putin. Richtig handeln dagegen Biden, die englische Regierung usw. Waffenlieferungen an die Ukraine sind richtig. Helme genügen nicht …

Peter Stefan Herbst müsste der Leserschaft mitteilen, dass „seine“ Zeitung trotz aller gegenteiliger Beteuerungen, ein Schwarz-Weiß- und Freund-Feind-Weltbild vertritt. Grautöne sind nicht zugelassen, obwohl sich die Realitäten des größten Teils der Bevölkerungen – nicht die der sogenannten Eliten – da abspielen, wo sich die Grautöne befinden.

Über Focus online sollte die Leserschaft erfahren:

Die Website wird von der Focus Online Group GmbH herausgegeben. Diese Gesellschaft gehört zur BurdaForward GmbH und wird in den Teilkonzern-Abschluss der zum Medienkonzern Hubert Burda Media gehörenden Burda GmbH einbezogen.

Mehrheitsgesellschafter der Saabrücker Zeitung ist die Rheinische Post Mediengruppe ist. Über diese erfährt man: 

Die Rheinische Post Mediengruppe ist ein mittelständisches Medienunternehmen mit Sitz in Düsseldorf. Sie gibt die auflagenstärkste Tageszeitung im Rheinland heraus: Die Rheinische Post erreicht mit täglich rund 250.000 Exemplaren etwa 784.000 Leser. Zudem verlegt die Mediengruppe in Nordrhein-Westfalen mit dem General-Anzeiger Bonn die auflagenstärkste Tageszeitung in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis mit einer täglichen Auflage von rund 60.000 Exemplaren. Mit ihrem starken Parlamentsbüro in Berlin unterstreicht sie ihren publizistischen Anspruch als Stimme des Westens, die auf Bundesebene gehört wird. Die Mediengruppe ist einer der fünf auflagenstärksten Zeitungsverlage Deutschlands. Sie ist mehrheitlich beteiligt an der Saarbrücker Zeitungsgruppe, die die Titel Saarbrücker Zeitung, Trierischer Volksfreund und Pfälzischer Merkur herausbringt.

Mit RP Online verfügt die Rheinische Post Mediengruppe über eines der reichweitenstärksten Online-Portale deutscher Tageszeitungen, das monatlich rund 12 Millionen Unique User erreicht. Eine Beteiligung an der markt.gruppe Holding sichert eine starke Position im digitalen Rubrikengeschäft. Zudem ist das Unternehmen an 18 Hörfunksendern sowie an acht deutschen Anzeigenblattverlagen mit einer wöchentlichen Auflage von rund 2,3 Millionen Exemplaren beteiligt. Leistungsstarke Druckzentren in Düsseldorf, Saarbrücken und Trier bringen Printprodukte auf dem neuesten Stand der Technik in den Markt. Im Fachmedienbereich verlegt die zugehörige DVV Media Group mehr als 80 Zeitungen, Zeitschriften und Fachbücher rund um Logistik, Transport und Schifffahrt. Der Umsatz der Mediengruppe liegt bei rund 600 Millionen Euro im Jahr. Im In- und Ausland beschäftigt sie mehr als 3.000 Mitarbeiter.

(https://www.rheinischepostmediengruppe.de/unternehmen/ueber-uns)

Wie in einem solchen Medien-Konglomerat Meinungsvielfalt bestehen soll, dürfte das Geheimnis von Herrn Herbst bleiben.

Die Mitglieder des Aufsichtsrates der Rheinische Post Mediengruppe sind:
Felix Droste (Vorsitzender)
Florian Merz-Betz (1. stellv. Vorsitzender)
Martin Ebel (2. stellv. Vorsitzender) 

Herr Herbst ist ein gut bezahlter Angestellter der Saarbrücker Zeitungsgruppe (Saarbrücker Zeitung, Trierischer Volksfreund und Pfälzischer Merkur). Er unterliegt wie alle Redakteure der Saarbrücker Zeitung dem Redaktionsstatut. Offenbar ersetzt dieses Wort die einmal übliche Bezeichnung „Verlegerrichtlinie“. Googeln Sie mal das Wort „Verlegerrichtlinie“. Sie werden Ihre Überraschung erleben. Sie stoßen nur noch auf „Verlegerichtlinie“ für den Fliesenleger. Als Chefredakteur hat Herr Herbst die Aufgabe, darüber zu wachen, dass die ihm unterstellten Redakteure die Richtlinie einhalten. Wenn nun das Wort „Statut“ bevorzugt wird, dann ist das einer der vielen Beweise dafür, wie Eigentümer und Verantwortliche in Medienunternehmen sich gerne selbst als Personen aus der Schusslinie herausnehmen. Ihre „Neutralität“ lässt sich noch besser in einem „neutralen“ Wort wie „Redaktionsstatut“ verpacken.

Die Meinungsfreiheit der angestellten Redakteure einer Zeitung darf sich „im Rahmen“ des Redaktionsstauts bewegen. Und sie endet auch an diesem Rahmen. Insofern sollten Medien wie die Saabrücker Zeitung ihrer Leserschaft mitteilen:

Die Meinungsfreiheit eines Redakteurs der Saarbrücker Zeitung muss übereinstimmen mit der Meinung des Eigentümers/der Eigentümer des Unternehmens, dem Redaktionsstatut. Die Pressefreiheit der Saarbrücker Zeitung ist identisch mit der Meinungsfreiheit des Verlegers. Wer sich dieser widersetzt, hat die Folgen selbst zu verantworten.

Abschließend noch folgende Überlegung, die etwas weiter ausgreift. „Neutralitäts- und Unabhängigkeits-Konstruktionen“ sind nicht vereinbar mit einer Demokratie. Dahinter verbergen sich immer die Interessen Weniger, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Nach meinem Verständnis hat niemand in einer demokratischen Gemeinschaft das Recht, sich von dieser abzusondern und sich ihr gegenüber als unabhängiges „Neutrum“ auszugeben. Demokratie muss konsequent auf Kooperation und Solidarität setzen und an dieser anstrengenden Arbeit, die jeden Tag von neuem in Angriff genommen werden muss, hat sich jede Demokratin und jeder Demokrat zu beteiligen.