Die Erzeugung von Schulden ist das weltweit stärkste Machtmittel. Das Instrument hierzu ist die Geldschöpfung. Sie ist der Ursprung der Verschuldungs-Geisel. Einmal in Gang gesetzt, setzt sie sich dann über viele Stufen hinweg bis zum halbkriminellen Verkäufer von Kleinstkrediten von 300 Euro fort. Nur wenige – private Geschäftsbanken – profitieren allerdings direkt vom Geldschöpfungsprivileg und der damit verbundenen privaten Aneignung der Rendite. Und das läuft so ab. Sie erzeugen neues Geld durch den Kredit und nur durch den Kredit. Damit „erzeugen“ sie in vielen Fällen jahre- und jahrzehntelang Schuldner mit allen negativen Konsequenzen für eine selbstbestimmte Lebensgestaltung. Im gegenwärtigen Geldsystem gibt es keine Alternative dazu. Auch staatliche Geldschöpfung erfolgt durch Schuldenerzeugung. Aber hier liegt die Chance für eine demokratische Alternative. Geld kann schuldenfrei erzeugt werden.
In dem folgenden Text wird in zwölf Punkten der Verstehenshintergrund der Alternative dargestellt. Der Autor weiß, dass er der Leserin und dem Leser viel abverlangt. Aber er kann auch versprechen, die Anstrengung lohnt sich. Er freut sich auch über jede Kontaktaufnahme zum Vorantreiben der Diskussion (siehe Mailadresse weiter unten).
1. Es gibt keine natürliche und damit auch keine abstrakte Verbindung zwischen Geld und (partikularer = einzelner konkreter) Ware.
1.1 Zur Erklärung: Geld hat selbst keinen inneren Wert. Es hat auch keinen abstrakten Wert. Geld ist keine abstrakte Ware. Im Geld ist nichts mehr von einer konkreten Kartoffel und genauso wenig von Gold vorhanden. Geld ist kein Stellvertreter einer Ware. Zwischen Geld und einer einzelnen Ware besteht eben nicht das gleiche Verhältnis wie zwischen einer abstrakten Blume und einer konkreten Tulpe. In der abstrakten Blume bleibt eine natürliche Verbindung zur konkreten Tulpe bestehen, weil eine Tulpe eine Blume ist.
Und was ist Geld nun? Geld ist keine abstrakte, sondern die allgemeinste Ware. Dazu ein Beispiel zur Veranschaulichung. Geld verhält sich zu allen Waren so, wie sich das Wort „Wort“ zu allen Wörtern verhält. Zwischen der Bedeutung aller Wörter und der Bedeutung von ‚Wort‘ gibt es keine abstrakte Verbindung. Das Wort „Wort“ hat nämlich genauso wenig eine eigene Bedeutung wie Geld einen eigenen Wert hat. So wie ‚Wort‘ bedeutungsleer ist, so ist ‚Geld‘ wertleer. Dennoch erfüllt das Wort „Wort“ eine wichtige Funktion. Es dient dazu, alle Wörter wie in einem Gefäß zu sammeln. Ein Buchstabengebilde wie TLKXR wird darin keine Aufnahme finden. Genau die gleiche Funktion erfüllt Geld als allgemeinste Ware. Es dient dazu, alle materiellen Güter und Leistungen, die von Menschen als Waren bestimmt werden, zusammenzufassen. Nun hat aber das allgemeinste Wort „Wort“ einen entscheidenden Nachteil gegenüber der allgemeinsten Ware „Geld“. Zur Bedeutungsbestimmung der einzelnen Wörter stehen viel weniger bedeutungsunterscheidende Möglichkeiten zur Verfügung als für die Wertbestimmung der einzelnen Waren wertunterscheidende Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Bedeutungsunterscheidende Möglichkeiten sind Gegensätze (‚dünn‘ – ‚dick‘), Intensitätsgrade (‚kühl‘ – ‚kalt‘), Dimensionen (Pfad – Weg), Funktionen (Gabel – Messer) usw. Die allgemeinste Ware Geld verfügt dagegen über quasi unendlich viele Zahlen zur Wertbestimmung, d.h. Preiszuordnungen durch menschliche Entscheidungen zu einzelnen Waren.
Nun gibt es aber einen Ort, an dem Geld als „allgemeinste“! Ware gehandelt werden kann. Es ist der Finanzmarkt. Mit einer „wertleeren“ Geldform sucht der Spekulant dort sein Glück oder findet sein Pech.
2. Das (bewusste oder nicht bewusste) Nichtverstehen der unter Ziffer 1 und Ziffer 1.1 ausgeführten grundlegenden Erkenntnisse und Einsichten führt in letzter Konsequenz zur weltweiten Vernichtung des ökologischen Systems und aller sozialen und solidarischen Gesellschaften.
3. Bei einem bewussten Nicht-Verstehen-Wollen ist von einer in höchstem Maße ideologisch bedingten Verhinderung oder Erschwerung dieser Erkenntnisse und ihrer Verbreitung in der breiten Masse der Bevölkerungen auszugehen. Das Motiv hierfür liegt in der Erzielung einer privat angeeigneten Rendite.
4. Die Nicht-zur-Kenntnisnahme von Ziffer 1 führt automatisch zum Kredit. Er beruht auf der Behauptung eines vorgeschossenen Wertes – einer Ware – durch die Kreditgeber.
5. Da die Kreditvergabe durch neu geschöpftes Geld, d.h. im wahrsten Sine des Wortes aus dem Nichts, erzeugt wird, kann der Kreditgeber (Gläubiger) im Moment der Vergabe gar keine Vorleistung erbracht haben. Die Zuordnung irgendeines Preises zu einem Wert ist gar nicht möglich.
6. Der Kredit ist Ausdruck willkürlicher gesellschaftlicher Machtverhältnisse zwischen Wenigen auf der Gläubigerseite und immer mehr werdenden Vielen auf der Schuldnerseite. Dies führt unweigerlich zu einer immer weiteren Öffnung der Vermögensschere.
7. Die in Ziffer 6 enthaltene Erkenntnis bedeutet, dass alle nachträglichen Korrekturen durch steuerliche Umverteilung an der grundsätzlichen Tendenz des Kreditsystem zur einseitigen Vermögenskonzentration nichts ändern.
8. Die in Ziffer 1 enthaltene Erkenntnis macht es schlechterdings unmöglich, eine natürliche, logisch zwingende oder mathematisch genau berechenbare Beziehung zwischen Geldmenge einerseits und Waren(wert)menge andererseits festzustellen. Geld kann durch Kreditgeldschöpfung unbegrenzt erzeugt werden. Ressourcen aber, denen Werte zugeteilt werden, sind knapp.
9. Die Geldmengenproblematik und die Ressourcenproblematik können nur getrennt angegangen werden. Das heißt, durch jeweilige Fokussierung entweder auf die Geldmengenerzeugung oder auf die Ressourcenknappheit.
10. Aus der Geldmengenerzeugung müssen die spekulativen Elemente entfernt werden. Sie haben unweigerlich überschießende und aufblähende Konsequenzen auf die Geldmenge. Leidtragende sind viele Millionen Menschen beim Platzen der Wertillusionen.
11. Auf der Seite der bewerteten Ressourcen bedarf es einer möglichst exakten Erhebung, um einen umfassenden Überblick über Knappheiten zu bekommen.
12. Allen zukünftigen Wertschöpfungsprozessen ist die Bestimmung und im demokratischen Konsens beschlossene Verwendung der Ressourcen vorgelagert.
13. In Gang gesetzt wird der Wertschöpfungsprozess durch die Zur-Verfügungstellung von gesetzlichem Geld, d.h. durch Geld, das vom demokratischen Souverän legitimiert ist. Das Geld wird von einer sogenannten Währungsbehörde geschöpft und in einem Währungsregister außerhalb der Bilanz festgehalten. Über die Verwendung des Geldes entscheiden gewählte Parlamente. Diese können Elemente der direkten Demokratie einführen und bei größeren Ausgabenentscheidungen die Bürgerinnen und Bürger direkt beteiligen. Das Geld wird in Form von schuldenfreien Zuschüssen über die staatlichen Haushalte in Umlauf gebracht. Je nach erfolgreichem oder nicht erfolgreichem Verlauf des Prozesses werden – wenn notwendig – neue Zuschüsse zugeführt oder die Zuschüsse werden eingestellt.
14. Die Kreditvergabe ist auch weiterhin möglich. Die Geschäftsbanken erzeugen aber das entsprechende Geld nicht mehr durch eigene Geldschöpfung. Sie müssen vorhandenes Geld, das heißt SCHON von dem gesetzlichen Geldschöpfer zur Verfügung gestelltes und danach durch demokratisch legitimierte Gremien in Umlauf gebrachtes Geld, einsammeln und vergeben. Das bedeutet, dass sie um die Einlagen ihrer Kunden für die Vergabe ihres Geldes als Kredit werben müssen. Der Kredit unterliegt der vollständigen Risikoübernahme. Der Staat übernimmt nicht mehr die Rolle des Retters in letzter Not.
15. Die hier aufgezeigte neue Geldordnung bedarf einer Stärkung der parlamentarischen Demokratie und eines konsequenten Ausbaus einer gesellschaftlich breit angelegten partizipatorischen Demokratie.
Die Ausführungen nehmen wesentliche Impulse aus dem Buch von Klaus Karwat auf. Es trägt den Titel „Schuldenfreies Geld. Warum der Kapitalismus eine Systemreform braucht“ (2021) Außerdem greift es Überlegungen von Joscha Wullweber zur „politischen Theorie des Geldes“ in seinem Buch „Zentralbankkapitalismus. Transformation des globalen Finanzsystems in Krisenzeiten“ auf. In dieser Theorie nimmt er eine sehr klarsichtige Unterscheidung zwischen Geld als allgemeiner Wert und Geld als abstrakter Wert vor (speziell die Seiten 66-81). Er bezieht sich dabei wesentlich auf den „leeren Signifikanten“ und den „Mastersignifikanten“ von Ernesto Laclau.
Mailadresse des Verfassers: FranzSchneider-France@gmx.de