Ich bin der Saarbrücker Zeitung (SZ) äußerst dankbar, da sie mich jeden Tag von neuem dazu anregt, mir über ihre „Machart” Gedanken zu machen.
Heute werden viele Seiten davon beherrscht, eine ganz wesentliche Strategieform der SZ zu verteidigen. Ich nenne sie „Strategie zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Status Quo ”.
Heute wird diese seit Beginn der Pandemie verfolgte Strategie durch ein „ungeheures” Ereignis in Frage gestellt.
Es gibt trotz doppelter Impfung „Impfdurchbrüche” (das Wort war mir bisher nicht bekannt). Zweimal Geimpfte sind an Covid erkrankt. 91 im Saarland, 13360 in ganz Deutschland mit steigender Tendenz.
Eine wahre Fundgrube, wie nun Überschriften gewählt sind „Kaum Impfdurchbrüche im Saarland” , wie der so ungemein wichtige LETZTE Satz in Artikeln (wegen seines hohen Erinnerungswerts) formuliert ist („in Homburg liegen derzeit keine Covid-Patienten mit kompletter Impfung” oder „Keinen einzigen Impfdurchbruch registrieren die SHG-Kliniken in ihren Häusern in Völklingen und Merzig”), wie Zitate in unterschiedlichen Artikeln wiederholt werden (z.B. „Mehr und mehr und mehr handelt es sich um eine Pandemie der Ungeimpften” (Regierungssprecher Seibert), „dass Impfungen keinen absoluten Schutz bieten, war immer klar!” (Mangnus Jung, SPD), wie trotzig einfach das Gegenteil behauptet wird, was „Impfdurchbrüche” in Frage stellen („Mehr und mehr handelt es sich um eine Pandemie der Ungeimpften” oder „es wäre jedoch nicht korrekt, dies als verminderte Wirksamkeit zu interpretieren”), wie relativiert wird „Zugleich ist kein Impfstoff vollständig wirksam”, wie banalisiert wird („0,014 Prozent” Impfdurchbrüche oder Impfdurchbrüche beschränken sich auf Einzelfälle”) usw. Es kommen Formulierungen zustande, die einen daran zweifeln lassen, ob man selbst noch logisch denken kann: „Immer mehr Menschen sind geimpft, trotzdem gehen die Infektionszahlen nach oben. Auch Arbeitgeber und Gewerkschaften sehen mit Sorge die Entwicklung UND RUFEN ZU MEHR IMPFUNGEN AUF”. Da muss ich passen.
Und warum der ganze enorme (textuelle) Aufwand? Um die Bevölkerung einzustellen auf Auffrischimpfungen (dritte, vierte …), auf Doppelimpfstoffe (Grippe und Covid im Doppelpack), auf die Impfpflicht für die gesamte Bevölkerung.
Die Überlegungen zur „Status-Quo-Strategie” der Saarbrücker Zeitung lassen sich problemlos auf andere Medien übertragen. Die Strategie wird immer dann eine Gefahr für eine demokratische Gesellschaftsordnung, wenn ein Medium das Meinungsmonopol innehat. Von einem Meinungsmonopol muss auch dann gesprochen werden, wenn viele vordergründig multiforme Medien hintergründig eine uniforme Meinung verbreiten.
Die Saarbrücker Zeitung als einzige saarländische Tageszeitung Hunderttausender täglicher Leser besitzt ein Meinungsmonopol. Ihr wie vielen anderen Medien müssen kritische Bürger entgegenrufen: „Lasst Denkalternativen zu!”
Die 1980 von der englischen Premierministerin Margaret Thatcher aufgestellte Behauptung „There is no alternative” (TINA) hat sich als fatale Fehlentwicklung neoliberaler Denkweise herausgestellt. Angela Merkel hat sie unkritisch mit dem von ihr in den politischen Sprachgebrauch eingeführten Wort „alternativlos” übernommen. Es wurde zum Unwort des Jahres 2010 „gekrönt”. Ihre Forderung einer „marktkonformen Demokratie” fügt sich in das gleiche alternativlose Denkmuster der übergroßen Mehrheit der „Macher” und „Entscheider” unserer Gesellschaft ein.
JEDES Problem lässt aber alternative Lösungsmöglichkeiten zu. Eine demokratische Gesellschaft MUSS Denkalternativen zulassen, sie MUSS Lösungsalternativen der demokratischen Debatte überantworten, ohne sie zu diskriminieren, ohne Menschen, die sie vertreten, auszuschließen, ohne ihnen nur die „Wahl” zu lassen zuzustimmen. Wenn sie das nicht begreift, zerstört sie auf kurz oder lang ihre eigenen Grundlagen und öffnet die Schleusen für autoritäre, gar diktatorische Gesellschaftsformationen. Menschen und ganz besonders Kinder und junge Menschen sind „plastisch”. Sie sind formbar. Insofern ist unsere „Gesellschaft” schon unterwegs zu einem anderen Menschenbild. Wenn sie es weiterhin zulässt…
von Franz Schneider