Banken – ein Tabu im Wahlkampf?

Ein Tabu ist ein Verbot, dessen Grund unbekannt ist. Wir unterwerfen uns einem Tabu wie selbstverständlich, weil wir überzeugt sind, dass eine Übertretung automatisch ein Unheil herbeiführen wird.
Ein Beitrag von Franz Schneider

Es fällt auf, dass in keinem der bisherigen Duelle, Trielle oder „Quatrelle“ der Bundestagskandidaten das Wort Banken auch nur ein einziges Mal gefallen ist? Wir haben es da offenbar mit einem Tabu zu tun.

Sigmund Freud sagt aber auch, dass eine starke Neigung im Unbewussten besteht, das Verbotene zu tun. Angesichts der medial und politisch unterdrückten kritischen öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Bankentreiben besteht eine gewisse Hoffnung, die Gesellschaft zu verführen, das Verbotene zu tun.

Am Beispiel der verheerenden Situation im sozialen Wohnungsbau und des ungeheuren Mangels an bezahlbaren Wohnungen lässt sich beobachten, auf welch katastrophalem Bewusstseinsniveau die Schwere der Problematik abgehandelt wird. Da ist von baurechtlichen Hürden, einer auch nach jahrzehntelanger Abspeckkur immer noch zu dicken Verwaltung, zu wenig Digitalisierung, von einer illusorischen Baulandmobilisierung usw. die Rede. Der Grund seien die geringen Renditeaussichten von privaten Investoren. Warum aber auf dem privaten Immobilen Markt die Rendite stimmt, dazu kein Pieps.

Um das zu verstehen, muss man sich schon die Mühe machen, in den Maschinenraum des Kapitalismus hineinzubegeben. Das tun nur wenige, denn dabei macht man sich „schmutzig“, wird sogar zum gesellschaftlichen „Dreckfink“, eben zum Tabubrecher.

Wenn sich die politisch Verantwortlichen im Maschinenraum des Kapitalismus auskennen würden, hätten sie begriffen, wie das Geldsystem funktioniert. Sie hätten verstanden, was Geld ist.

Sie hätten begriffen, dass Geld kein neutraler Schleier ist, wie sie es wahrscheinlich in ihrer ökonomischen Ausbildung von ihren durch die Neoklassik geprägten Lehrern eingeimpft bekamen. Sie hätten sich also vermutlich selbst ein gutes Stück mit großem intellektuellem Aufwand von dieser Lehre emanzipieren müssen.

Geld ist kein neutraler Schleier, Geld ist nicht nur ein Schmiermittel, das den Güterstrom am Laufen halten soll. Das wird seit Jahrhunderten und heute immer noch von den Mächtigen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft so behauptet. Und doch ist es reine Ideologie, um die Geldmächtigen in ihrem Treiben nicht anzutasten. Es ist also eine reine Machterhaltungsideologie. Die Güterströme sind aber nicht einfach nur da, sie werden durch Geld erzeugt, sie werden durch Geld gesteuert. Die Geldströme werden durch Mächtige, die an den Geldhebeln sitzen, gesteuert.

Geld wird erzeugt, „es wird geschöpft“ sagt man. Das musste sogar die Bundesbank nach jahrzehntelangem Geziere in ihrem Monatsbericht vom April 2017 erstmals öffentlich zugeben. In der Bevölkerung ist das immer noch nicht angekommen, weil es einfach zu unglaubwürdig ist. Man sagte den kleinen Leuten doch immer „spart fleißig“, dann könnt ihr euch später auch mehr leisten, oder „ihr könnt es der Bank geben, diese verleiht es dann und ihr könnt dafür Zinsen bekommen“. Die Gelderzeuger lachen sich einen Ast, weil die Leute das landauf, landab immer noch glauben.

Das Recht, Geld zu erzeugen, hat eigentlich per Gesetz nur der Staat. Er hat das Währungsmonopol, das er an die Zentralbank delegiert hat. Gesetzlich und wertmäßig abgesichertes Geld kann nur die Zentralbank erzeugen. Aber wen kümmert das eigentlich noch?

Private Geschäftsbanken ebenso wie mittlerweile öffentlich-rechtliche Sparkassen und genossenschaftliche Banken haben sich dieses Recht im Laufe der Geschichte selbst angeeignet. Ohne jemals durch Gesetz dafür die Ermächtigung erhalten zu haben, schöpfen sie ihr eigenes Geld, das Giralgeld. Es wurde einfach staatlich akzeptierte „gängige Praxis“. Der Staat erklärte sich stillschweigend einverstanden, dass Kunden zur Bank gehen können und dort für ihr Giralgeld auf dem Girokonto Bargeld, also gesetzliches Zentralbankgeld ausbezahlt bekommen. Zur Freude der Banken. Von all den privaten Geldformen, die mittlerweile herumwildern, soll hier gar nicht die Rede sein.

Mittlerweile zirkulieren im Geldkreislauf zwischen Kunden und Banken 85,3% Giralgeld (Stand 2020). Dieses Giralgeld kommt durch den Kredit in die Welt und nur dadurch. Je mehr Kredite, umso mehr Giralgeld, umso mehr Gewinnmöglichkeiten für die Banken. Durch die dunklen Verknüpfungen der Banken mit dem Schattenbankensystem und der darin vorhandenen unheilvollen Rolle der Geldmarktfonds potenzieren sich die destruktiven Auswirkungen der Kreditvergabe noch um ein Vielfaches.

Die riesigen Geldmengen, die über den Kredit in das Geldsystem hineingepumpt werden, sei es durch die Zentralbank, die auf die Vermittlung durch die Geschäftsbanken angewiesen sind, sei es in Eigenregie durch die Geschäftsbanken, fließen zum größten Teil in Anlageformen, die auf Wertsteigerung spekulieren. Seit Jahren „saufen die Pferde nicht mehr“, das heißt, die produktive klassische unternehmerische Investition dümpelt vor sich hin. An vorderster Front agieren dagegen Immobilien und Aktien. Sie sind hochgradig finanzialisiert. Trotz realwirtschaftlicher Implikationen stehen in beiden Anlageformen Erwartungen im Vordergrund, also die Erwartung, dass der Wert der Immobilie oder der Kurs der Aktie steigt. Das, was da realisiert wird und für wen das gut oder schlecht ist, spielt überhaupt keine Rolle, Hauptsache, die Rendite stimmt. „Deutsche Wohnen“, die größte deutsche Wohnungsgesellschaft mit 154 000 Wohnungen, steigert die Dividende seit 8 Jahren. Innerhalb der letzten 10 Jahre hat sie sie um jährlich 18,82% gesteigert.

Wie also soll da der soziale Wohnungsbau oder die bezahlbare Wohnung noch eine Chance haben?
Er hätte eine, denn der Groll in der Bevölkerung ist gewaltig. Beste Bedingungen für Tabubrecher, aber wo bleiben sie?

Franz Schneider