Die gute alte Sparkasse?

Ein Beitrag von Franz Schneider, Saarbrücken

Bei der Gründung der Sparkassen Ende des 18. Jahrhunderts sollte ärmeren Volksschichten die Möglichkeit zum Sparen im Rahmen eines Kreditinstituts und damit zur privaten Vermögensbildung gegeben werden.

Sparsamkeit als Dienst an der Nation und am Volk. Dieser Gedanke lag der Einführung des Weltspartages am letzten Werktag im Oktober 1925 für den Wiederaufbau Deutschlands zugrunde. Den Nazis diente er bis 1945 zur Kriegsfinanzierung.

In der Nachkriegszeit mit sich verstärkender Tendenz bis zum heutigen Tag setzte sich das „Vorbild“ der liberalen anglo-amerikanische Konsumgesellschaft in Westeuropa immer stärker durch. Der große britische Ökonom John Maynard Keynes hatte schon in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Welt mit großerer Klarsicht deutlich gemacht, dass es auch zum Investieren keiner Ersparnisse bedarf. Ersparnisse sind das Ergebnis einer erfolgreichen Investition, sie gehen ihr nicht voraus.

Wozu also überhaupt noch Sparen? Sparen wird geradezu bestraft in Zeiten von Null- und Minuszinsen. Die Freibeträge auf den Giro- und Tagesgeldkonten werden immer weiter nach unten gedrückt. Sparen ist zu einer historisch überholten Anlagestrategie geworden. Sparkassen stehen in keiner Weise den privaten Geschäftsbanken nach und versuchen mit allen Mitteln ihre Kunden, auch viele älteren Jahrgangs, in die Anlageform von Wertpapieren, insbesondere Aktien, hineinzudrücken. Wohlwissend, dass sich die Aktie nur, wenn überhaupt, langfristig auszahlt.

Was ist geschehen mit den Sparkassen? Sehr viel. Beinahe unbemerkt von der großen Öffentlichkeit sind die Sparkassen in ganz Westeuropa – Italien, Spanien, Frankreich – in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren durch Zusammenschlüsse zu konzernartigen Gebilden angewachsen. Dabei werden Bilanzsummen bis zu mehreren Billionen Euro erreicht.

In Deutschland agiert die Sparkassen-Finanzgruppe wie ein Konzern. Zu ihr zählen 520 Unternehmen. Davon gehören 376 Sparkassen, 12 regionale Sparkassenverbände, 5 Landesbanken, Deka Investment (Wertpapierhandelshaus der Sparkassen), 8 Landesbausparkassen, Deutsche Leasing Gruppe, 9 Öffentliche Versicherer u.a.m. Ein Geschäftsvolumen von 2.980.000.000.000 Euro macht die Sparkassen-Finanzgruppe zum größten Finanzdienstleister Europs mit 13.000 Geschäftsstellen, 48 200 000 Girokonten.

Die gute alte deutsche Sparkasse ist verschwunden. Das Auftaktsignal hierzu erfolgte 2005 mit dem Wegfall der sogenannten Gewährträgerhaftung. Bis zu diesem Zeitpunkt hafteten die Träger der Sparkassen (und Landesbanken) für ihre Institute, wenn diese in finanzielle Schieflage gerieten und ihre Forderungen nicht mehr begleichen konnten.

Den privaten Großbanken war dieses Privileg schon lange ein Dorn im Auge. Von ihm profitierten Sparkassen und Landesbanken gleichermaßen, denn Sparkassen sind die größten Eigentümer der Landesbanken. Spätestens mit der Finanzkrise 2008 war dann Schluss mit lustig. Einige Landesbanken hatten sich in Auslandsgeschäften heftig verspekuliert, Stichwort subprime-Krise. Die Ratingagenturen hatten wegen des Privilegs stets gute Ratings gegeben und damit günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten als private Geschäftsbanken.

Seitdem kriselt es auch heftig zwischen Sparkassen und Landesbanken. Die beiden Risikomodelle lassen sich wegen der grundsätzlich stärkeren Auslandsorientierung der Landesbanken und des durch das sogenannte Regionalprinzip eingeschränkten Geschäftsradius der Sparkassen nur schwer unter einen Hut bringen. Logische Folge ist, dass dies auch Auswirkungen auf das gemeinsame Einlagensicherungsystem haben muss. Der „gemeinsame Anzug“ wird zu eng. Die EZB und die deutsche Bafin verlangen deshalb, dass bis Ende 2023 ein Umbau dieses Systems erfolgen muss.

Der Renditedruck im bestehenden Geld- und Finanzsystem ist riesig und ununterdrückbar. Er treibt Kreditinstitute, welcher Couleur auch immer, in die gleiche Richtung.

Der Sparkassenkritiker Rolf Jasny, Frankfurt, weist seit Jahren auf die Gefahr der „sparkassenfremden Wertpapiergeschäfte“ hin, die immer mehr Platz greifen. Er weist auch darauf hin, dass Sparkassen wie z.B. die Kreissparkasse Biberach, Spareinlagen missbrauchen und in Aktien, andere nicht-festverzinsliche Wertpapiere und Schuldverschreibungen investieren. Und er stellt ernüchtert fest: „in ihrem Kerngeschäft ist die Sparkasse defizitär“.

Obwohl Deutschland voll ist von strukturschwachen Gebieten, kommen Sparkassen ganz offensichtlich immer weniger ihrer Kernaufgabe nach. Die wird in den Sparkassengesetzen der Bundesländer eindeutig beschrieben. Sie besteht darin, für eine angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungsschichten und der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen zu sorgen. Das Fatale an dieser Entwicklung ist, dass Sparkassen, die versuchen, in ihrem Kerngeschäft eifrig zu sein, in Studien (z.B. Sparkassen-Studie von Finanz-Szene.de) als Verlierer dargestellt werden. Die Autoren sollten zumindest sagen, von welchem Interessenstandpunkt her, sie zu ihren Ergebnissen kommen.

In der Institution der Sparkassen konzentriert sich wie in einem Brennglas, was es bedeutet, aus einem Geld- und Finanz-System herauszutreten, in dem der produktive realwirtschaftliche Kredit uneingeschränkte Geltung hatte, und hinüberzugleiten in ein System, in dem diese Form des Kredits riesigen Schwierigkeiten ausgesetzt ist, eine ihm zugedachte Wirkung auf die realwirtschaftliche Entwicklung zu entfalten. Die Zentralbanken versuchen seit Jahren, durch „Quantitative Lockerung“ und Nullzins- bzw. Negativzins-Politik Sparkassen und Banken dazu anzuregen. Mit geringem Erfolg.

Die Sparkassengesetze der Bundesländer definieren Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts. Sie sind ein verselbständigter Teil eines in aller Regel kommunalen Trägers. Sie haben einen „öffentlichen Auftrag“ zu erfüllen. Dieser besteht in der kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft innerhalb einer Region (Regionalprinzip). Ziel ist die Struktur- und Gemeinwohlförderung. Die Hybridstellung von Sparkassen zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem privatwirtschaftlichen Wettbewerb wird deutlich. Das Spannungsverhältnis zwischen Kreditversorgung, Risikovorsorge, Eigenkapitalausstattung, Thesaurierung im Fonds für allgemeine Bankrisiken einerseits und ausschüttungsfähigem Jahresüberschuss andererseits ist nicht befriedigend geregelt. Eine stärkere Belegungs- und Begründungspflicht der Sparkassenvorstands, was die maßgeblichen Risiken betrifft, ist erforderlich. Der Verwaltungsrat, der eine gewisse Kontrollfunktion wahrnehmen soll, scheint wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Wie soll ein Gremium, das als oberstes Organ der Sparkasse agiert, eine Kontrollfunktion wahrnehmen?

Sparkassen müssen sich der öffentlichen Diskussion stellen. Lohnt es sich, in sie die Hoffnung zu setzen, die gemeinwohlorientierte „ideale“ Bankenform der Zukunft zu sein. Kann sie sich dem Prinzip der Profitmaximierung entziehen?

Zweifel sind angebracht. Sind es doch gerade Sparkassen, die immer wieder durch besonders rigorose Verhaltensweisen von sich reden machen. Stichworte mögen genügen: Druckausübung durch Drohung mit Kontenkündigung, wenn Kunden nicht nachträglich neuen Kontengebührenerhöhungen zustimmen, einseitige Kündigung von Sparverträgen, massive Schließung von Filialen und Kürzungen der Öffnungszeiten einhergehend mit gesamtgesellschaftlich zunehmenden sozialen Distanzierungsprozessen, starke Fusionsbewegungen einhergehend mit einer Aufweichung des Regionalprinzips, subtile als auch weniger subtile Vorgehensweisen zur Verdrängung der Bargeldzahlung einhergehend mit Erschwerungen der Bargeldabhebung, sprachliche Irreführungen, wenn z.B. von „Verwahrentgelten“ die Rede ist anstelle von Negativzinsen oder wenn über die spezielle Eigenkapitalquote von Kreditinstituten nicht genügend aufgeklärt wird, Negativzinsen, an denen Sparkassen (und andere Banken) sogar noch verdienen, Hineindrücken von (sogar älteren) Kunden in die Wertapapieranlage, Provisionen als üppige Einnahmequelle, horrende Gehälter von Sparkassenvorständen, üppige Pensionsverpflichtungen (versteckte Boni), die nun auch in Fonds ausgelagert werden, um die Risikofreude der Vorstände nicht zu schmälern, arrogante Verweigerung des kritischen öffentlichen Dialogs durch Sparkassenvorstände usw.

Ob der gespendete Pokal der Sparkasse von Mumbach für das Fußballturnier des FC Mumbach ausreichen wird, das Bild von der „guten alten Sparkasse“ aufrechtzuerhalten?

Die Hauptursache der ständigen Instabilität und Krisensituation im heutigen Geld- und Finanzsystem liegt darin, dass Geschäftsbanken ihr eigenes Geld – das Giralgeld – erzeugen. Das ist verführerisch. Es gab einmal eine Sparkasse, die leitete ihre Kundeneinlagen als Kredite weiter. Die Sparkassen sollten sich ernsthaft fragen, ob sie die im Prinzip gute Sparkassen-Idee besser verwirklichen würden, wenn sie selbst kein Geld „schöpfen“, sondern tatsächlich die Kundeneinlagen regional als Darlehen – das ist Geld, das SCHON vorhanden ist – an die Haushalte und die Wirtschaft weiterleiten.

von Franz Scheider, Saarbrücken