Milliarden arbeitende Menschen – das sicherste Wertpapier der Superreichen – Teil 2

Teil 2: Das Schattenbankensystem – eine Gefahr für die Zentralbanken
Franz Schneider, Saarbrücken, 18.10.2021

Ausbau des Schattenbankensystems

Nehmen wir an, eine Bank hat eine bisher nicht genutzte Gewinnnische ausgemacht. Sie vergibt viele Immobilenkredite an Menschen, die relativ wenig verdienen. Diese freuen sich, endlich in den eigenen vier Wänden leben zu dürfen. Es bedarf keiner Verführungskünste des Kreditberaters. Die neuen Eigenheimbesitzer freuen sich noch mehr, als sie feststellen, dass ihr Heim an Wert gewinnt. Das erfreut auch die Bank, denn nun hat der Eigenheimbesitzer einen wachsenden Wert, den er als Sicherheit in Waagschale werfen kann, um einen weiteren Kredit von der Bank zu bekommen usw.

Plötzlich aber hört der Wertzuwachs – aus welchen Gründen auch immer – auf. Die Preise der Immobilien gehen sogar zurück. Das von den Besitzern eingebrachte Eigenkapital ist so niedrig oder sogar überhaupt nicht vorhanden, dass die Überschuldung unvermeidlich ist. Die Bank zieht sich aus der Kreditfinanzierung zurück und nimmt ihr Recht der Zwangsversteigerung wahr in der Hoffnung, so zu ihrem Geld zu kommen.

Das Unheil hatte sich schon einige Zeit angekündigt. Die Banken, die die Kredite vergeben hatten, kamen deshalb auf die Idee, dass sie diese Kredite als „Wertpapiere“ verpackten. Sie mischten noch andere Wertpapiere hinzu. Auf jeden Fall so geschickt, dass niemand mehr wissen konnte, was sich in dem „Wertpapier“ verbrigt. Man nennt diesen Verfahren zur Verschleierung des wahren Inhaltes eines Wertpapiers „Verbriefung“. So, wie man einen Brief zuklebt. Was drin ist, kann man nicht feststellen.

Mit einem solchen Wertpapier in der Hand konnten die Immobilien-Kunden weitere Kredite bekommen. Denn das Wertpapier diente ja als Sicherheit. Allerdings hatte sich diese Praxis zwischen Banken mittlerweile herumgesprochen auf der ganzen Welt. Und nun wurde es brandgefährlich für das weltweite Bankensystem.

Bankensystem ein geschlossenes Gleichschritt-System

Man muss wissen, dass das Bankensystem ein geschlossenes System ist. Alle Banken in ihm müssen im Gleichschritt gehen. Keine darf ausscheren. Dieser Gleichschrittmechanismus ist ungeheuer wichtig. Er erlaubt den Geschäftsbanken, sich mit ihrem eigenen Geld, dem Giralgeld, weitgehend unabhängig von dem Zentralbankgeld und den Zentralbanken zu machen. Im Geschäft mit ihren Kunden verwenden sie ihr privates Giralgeld.

Untereinander dürfen sich die Banken zwar nur mit Zentralbankgeld bedienen (Interbankengeldmarkt), aber sie machen das mit Hilfe eines systeminternen Verrechnungssystems (Target-System) so geschickt, dass sie viel viel weniger Zentralbank brauchen, als sie Giralgeld bewegen (siehe oben 2,5 % zu 97,5 %).

Angenommen zwischen zwei Banken fließen am Tag durch Überweisungen 1 Million Euro in die eine Richtung und 980 000 Euro in die andere, dann wird am Abend saldiert. Es bleiben 20000 Euro und nur diese müssen im Bankensystem vorrätig sein.

Die wichtigste Voraussetzung dafür, dass dieses System funktioniert, ist Vertrauen, denn das System ist Spitz auf Knopf im Hinblick auf Zentralbankgeld genäht. Banken müssen sich gegenseitig vertrauen, dass in ihren Bilanzen hinter Zahlen auch vertauenswürdige Werte stehen. Wenn sich aber herumspricht, dass viele Banken wackelige Wertwertpapiere wie diese verbrieften halten, dann verschwindet dieses Vertrauen. Keine Bank möchte mehr mit der anderen etwas zu tun haben. Sie leihen sich kein Geld mehr untereinander, das sie benötigen, wenn bei der abendlichen Saldierung ein Minus herauskommt. Das muss nämlich sofort wieder beseitigt, d.h. wieder aufgefüllt werden. Wenn aber dieser Handel zwischen den Banken nicht mehr funktioniert, dann bricht das Kartenhaus, das bankensysteminterne Kreditkartenhaus, zusammen.

Finanzkrise eine Krise des Schattenbankensystems

Und genau das geschah 2008, als die große Investmanbank Lehman Brother auf einem Berg solcher verbrieften Kredite saß. Man spricht von der Subprime-Krise, weil ursprünglich Immobilienkredite an Personen vergeben wurden, die keine oder nur wenige Sicherheiten bieten konnten. Die Folge davon, dass mit dem „Wertpapier“ verbriefter Kredite kein Blumenstrauß zu gewinnen bzw. kein Geld mehr zu bekommen war, war eine weltweite Banken- und Finanzkrise. Der Geldfluss zwischen den Banken versiegte. Ihre Auswirkungen waren auch in Deutschland zu spüren, weil deutsche Banken bei dem waghalsigen Abenteur der verbrieften Kredite mitspielten. Das gesamte Kreditabenteuer spielte sich im Hintergrund, eben im Schattenbankensystem, ab.

Im Vorfeld der sich anbahnenden Krise hatten viele „honorige“Geschäftsbanken, die Kreditleichen aus ihren offiziellen Bilanzen entfernt. Dazu schufen sie ihre Schattenbank, lagerten die faulen Kredite in deren Bilanz aus, in der Hoffnung, sie so entsorgen zu können.

Die Akteure des Schattenbankensystems sind große Geschäfts- und Investmentbanken wie J.P. Morgan, Bank of America, Citigroup, Deutsche Bank, Commerzbank, ja sogar Landesbanken etc., große Vermögensverwalter wie Blackrock, Wertpapierverwalter, Fonds aller Art etc. Kurz, es sind Akteure des privaten Großkapitals.

Ihr Bestreben geht „verständlicherweise“ dahin, sich der Aufsicht durch Zentralbanken zu entziehen. Insbesondere all den Regulierungen, die durch die „Zentralbank der Zentralbanken“, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ in Basel, ersonnen werden. Die Dokumentenberge der sogenannten Basel-Bestimmungen zur Eigenkapitalquote und Kreditvergabe geben beredtes Zeugnis davon.

von Franz Schneider, Saarbrücken, 18.10.2021