Der ehemalige SPD- und LINKEN-Vorsitzende Oskar Lafontaine macht in einem aktuellen Facebook-Beitrag deutlich, dass die offiziellen Begründungen für die Wirtschaftssanktionen gegen Russland auf moralischer Heuchelei beruhen. Wer angesichts der drohenden sozialen Verwerfungen für die Bürger das Schlimmste noch verhindern wolle, müsse jetzt das Naheliegende tun und die Pipeline Nord Stream 2 öffnen.
Auf seiner Facebook-Seite schreibt Lafontaine:
Ich kann das Gejammere von Steinmeier, Scholz und anderen über die sozialen Verwerfungen, die entstehen werden, wenn der Gaspreis sich verdreifacht, nicht mehr hören. Wenn man nur von Staaten wie den USA, Saudi-Arabien oder Katar und Russland, denen man völkerrechtswidrige Kriege vorwirft, Energie beziehen kann, dann sollte man den Lieferanten bevorzugen, der die beste und günstigste Ware hat. Das ist Russland. Es wird zudem immer deutlicher, dass die deutsche Wirtschaft auch bei vielen anderen notwendigen Rohstoffen und Ersatzteilen eng mit Russland verflochten ist.
Im Westen fühlt man sich im Ringen mit Moskau auf der Seite der Guten und der Mehrheit. Doch der Westen ist global gesehen mit seinen Sanktionen gegen Russland in der Minderheit.
Der Westen zeige sich einig wie selten zuvor und koordiniere sich bei der Verhängung weiterer und schärferer Sanktionen, so der Tenor beim G7-Gipfel in Elmau 2022. Das wird nicht ohne weitere negative Folgen für die eigenen Bürger sein. Und bei aller (scheinbaren) Einigkeit des Westens, im Wirtschaftskrieg gegen Russland steht der Westen alleine. Die Mehrheit der Nationen in der UNO verlangt eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg und beteiligt sich nicht an Sanktionen gegen Russland.
“Die Welt hat eine Verantwortung, für Frieden zu sorgen”, so die südafrikanische Außenministerin Naledi Pandor im verlinkten Video.
Warum Russland nur 40% der theoretischen Maximalkapazität liefert
“Russland dreht weiter am Gashahn” meldet die Tagesschau am 18. Juni 2022.
“Russland bleibt ein maximal zuverlässiger Lieferant”, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag, 20. Juni 2022, der Agentur Interfax zufolge. Er bekräftigte einmal mehr, dass die Ursache der derzeitigen Lieferreduktion Verzögerungen bei Reparaturarbeiten und fehlende Turbinen seien. “Das ist eine menschengemachte Krise. Sie ist von der EU erschaffen worden”, sagte Peskow.
Zur Versachlichung der Diskussion die nachfolgenden Informationen:
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich Ernst Wolff vor allem mit den Themen Politik und Wirtschaft, mit einem speziellen Fokus auf den Finanzsektor. In seinem Vortrag berichtet er darüber, wie sich die Welt innerhalb von zwei Jahren von Grund auf verändert hat. Erst wurden im Namen der Gesundheit riesige soziale und wirtschaftliche Schäden angerichtet, nun bedroht uns alle auch noch ein blutiger Krieg. Wer steckt dahinter? Dieser Frage ist Ernst Wolff in seinem Vortrag nachgegangen und hat dabei erstaunliche Zusammenhänge ans Licht gebracht.
Interview mit Folker Hellmeyer, Ex-Chefvolkswirt der Bremer Landesbank
Verändert dieser Krieg alles? Wirtschaftsexperte, Folker Hellmeyer, sagt: JA! Er wendet sich gegen eine Sicht, die nur Schwarz und Weiß sieht. Zum Thema: was Europa jetzt tun müsste, um am Ende nicht selber der große Verlierer zu sein.
Die Erzeugung von Schulden ist das weltweit stärkste Machtmittel. Das Instrument hierzu ist die Geldschöpfung. Sie ist der Ursprung der Verschuldungs-Geisel. Einmal in Gang gesetzt, setzt sie sich dann über viele Stufen hinweg bis zum halbkriminellen Verkäufer von Kleinstkrediten von 300 Euro fort. Nur wenige – private Geschäftsbanken – profitieren allerdings direkt vom Geldschöpfungsprivileg und der damit verbundenen privaten Aneignung der Rendite. Und das läuft so ab. Sie erzeugen neues Geld durch den Kredit und nur durch den Kredit. Damit „erzeugen“ sie in vielen Fällen jahre- und jahrzehntelang Schuldner mit allen negativen Konsequenzen für eine selbstbestimmte Lebensgestaltung. Im gegenwärtigen Geldsystem gibt es keine Alternative dazu. Auch staatliche Geldschöpfung erfolgt durch Schuldenerzeugung. Aber hier liegt die Chance für eine demokratische Alternative. Geld kann schuldenfrei erzeugt werden.
In dem folgenden Text wird in zwölf Punkten der Verstehenshintergrund der Alternative dargestellt. Der Autor weiß, dass er der Leserin und dem Leser viel abverlangt. Aber er kann auch versprechen, die Anstrengung lohnt sich. Er freut sich auch über jede Kontaktaufnahme zum Vorantreiben der Diskussion (siehe Mailadresse weiter unten).
Bei der Gründung der Sparkassen Ende des 18. Jahrhunderts sollte ärmeren Volksschichten die Möglichkeit zum Sparen im Rahmen eines Kreditinstituts und damit zur privaten Vermögensbildung gegeben werden.
Sparsamkeit als Dienst an der Nation und am Volk. Dieser Gedanke lag der Einführung des Weltspartages am letzten Werktag im Oktober 1925 für den Wiederaufbau Deutschlands zugrunde. Den Nazis diente er bis 1945 zur Kriegsfinanzierung.
Klaus Karwat „Schuldenfreies Geld. Warum der Kapitalismus eine Systemreform braucht“, rezensiert von Franz Schneider
Klaus Karwat, seit 2012 Vorsitzender des Vereins Monetative (Sitz Berlin), Politik- und Verwaltungswissenschaftler, hat ein Buch geschrieben, das an den Grundfesten unseres Geldsystems rührt. Die Lösung der riesigen ökologischen und sozialen Probleme, die sich weltweit auftürmen, bedarf in der Tat fundamentaler Änderungen dieses Systems. Angesichts einer unaufhaltsam voranschreitenden Bereicherung von einigen Wenigen und einer ebenso unaufhaltsamen Verschlechterung der Lebensverhältnisse immer größerer Teile der Gesellschaften müssen die Hebel umgelegt werden.
Teil 3: Zentralbanken – vom ohnmächtigen Kontrolleur zum willigen Mitspieler und Stabilitätsgaranten der Spekulationsgeschäfte des Großkapitals
Franz Schneider, Saarbrücken, 18.10.2021
Ursache der Krise, ein „marktbasiertes Kreditsystem“ mit unzureichenden privaten Sicherungsinstrumenten
Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, ein eigenes Kreditvergabesystem aufzubauen. Wir nennen es mit den Worten von Joscha Wullweber1 „marktbasiertes Kreditsystem“ im Gegensatz zu dem „bankbasierten Kreditsystem“, wie es für die Periode einer funktionierenden Leitzinspolitik der Zentralbanken charakteristisch ist.
Jedes Kreditsystem ist auf Kreditsicherheiten angewiesen. Das wissen natürlich die Konstrukteure des „marktbasierten Kreditsystems“. Sie ersinnen äußerst riskante private Sicherungsinstrumente, sogenannte Derivate, die diese Funktion übernehmen sollen. Ihre Anzahl ist unüberschaubar. Die Zentralbanken sahen diesem Spiel schon vor der Krise jahrelang zu, ohne aktiv einzugreifen.
Wie funktioniert dieses System?
Zentrales Instrument des marktbasierten Kreditsystems innerhalb des Schattenbankensystem sind Sicherheitsverträge oder, genauer ausgedrückt, Wertpapierverträge, die als Sicherheiten beim Geldverleih dienen.
Sie heißen Repos. Dies ist die Bezeichnung für Repurchase Agreements, worunter „Rückkauf-Vereinbarungen“ zu verstehen sind. Repo-Geschäfte sind kurzfristige Geschäfte, die meist über die Nacht abgeschlossen werden. Sie können maximal bis zu einem Jahr Laufzeit haben.
Das Geschäft läuft wie folgt ab: der Verkäufer des Wertpapiers bekommt von dem Käufer des Wertpapiers einen Kredit über 1 Million Euro. Der Verkäufer vereinbart mit dem Käufer, dass er das Wertpapier wieder am nächsten Tag für 1 Million + 50 000 Euro Zinsen (Reposatz) zurückkauft. Längere Zeit braucht er den Kredit zur Überbrückung seines kurzfristigen Liquiditätsengpasses nicht. Wie gesagt, das System ist Spitz auf Knopf genäht. Wenn der Wert des Wertpapiers am nächsten Tag gefallen ist, muss der Verkäufer des Wertpapiers den Wertverfall durch eine zusätzliche Zahlung an den Käufer ausgleichen. Wenn der Wert des Papiers steigt, muss der Käufer des Wertpapiers die Wertsteigerung durch eine zusätzliche Zahlung an den Verkäufer ausgleichen. Man spricht von Nachschusspflichten. So weit so gut.
Dieses System konnte nie wirklich funktionieren, zu groß waren die Instabilitäten, zu riskant die Geschäfte, zu wenig sicher die privaten Wertpapiere. Bis es dann zur Finanzkrise 2007-2009 kam. Da fiel es in sich zusammen.
Und was taten die Zentralbanken? Sie reichten den Verursachern der Krise die rettende Hand. Der alles andere als unschuldigen Finanzbranche halfen sie mit Milliardenhilfen aus der Patsche.
Was war schiefgelaufen? Genug Geld war immer vorhanden. Das Großkapital musste aber erkennen, dass Geld alleine nicht reicht, um daraus mehr Geld zu machen. Dazu muss Geld auch „fließen“. Derjenige, der sein Geld aus der Hand gibt, muss auch sicher sein, dass es „unterwegs“ nicht an Wert verliert, dass es nicht irgendwo versickert, sondern dass es eben wieder zu ihm möglichst mit Gewinn zurückfließt. Es muss also liquide sein. Es darf seine „Flüssigkeit“ nicht verlieren.
Das Großkapital machte mit seinen eigenen Wertpapieren die Erfahrung, dass sie in jeder Krise sehr schnell an Wert verlieren, weil jeder sie verkaufen möchte, um an Geld heranzukommen. Wer aber kauft dann noch solche Wertpapiere, wenn sie nicht mehr liquide gemacht werden können, also kein Geld mehr dafür zu bekommen ist?
Mit dem sichersten Wertpapier in der Hand wird die Zentralbank zum zentralen Market-Maker (Marktmacher) und Dealer (Händler) auf dem Repo-Markt
Vor all diesen Unwägbarkeiten kann ein Akteur nur bewahrt werden, wenn er ein Wertpapier in Händen hält, das ihm verspricht: „Wenn Du Dein Geld verlierst, dann bekommst Du das wieder, wenn Du Dein Wertpapier vorlegst.“ Welches Wertpapier aber ist zu diesem Versprechen in der Lage? Es kann ja nur eines mit der höchstmöglichen Sicherheitsgarantie sein. Welches Papier ist das? Die Staatsanleihe. Und wer besitzt diese? Die Zentralbank.
Mit dieser Einsicht ist ein tiefgreifener Rollenwechsel der Zentralbanken verbunden. In der Ära der Leitzinssteuerung kam der Zentralbank die Rolle des Lender of Last Resort zu. Sie spielte die Geldfeuerwehr, wenn es brannte. Diese Rolle aber wollte sie nicht weiterhin spielen. Sie wollte nun selbst aktiv mitmischen im Repo-Geschäft. Als Dealer und Market-Maker of Last Resort. Also als Händler und Marktmacher der letzten Instanz, und zwar sowohl auf der Geldhebelseite als auch auf der Seite des Sicherheitshebels. Das ist der Zustand, in dem sich das unser Geld- und Finanzsystem dominierende Schattenbankensystem derzeit befindet. Das Schattenbakensystem ist so mächtig geworden, dass dort mittlerweile 50 % der Kredite vergeben werden. Dass es dabei nie um kleine Summen geht, bedarf keiner Erläuterungen.
Ihre besondere Note erhält dieses offiziell abgesegnete Schattenbankensystem noch dadurch, dass die Zentralbanken auch solchen Akteuren Zugang zu Zentralbankgeld und damit auch zu Staatsanleihen gewähren, die bisher keinen solchen Zugang hatten. Sie bekommen damit den Status von Geschäftsbanken. Gemeint sind etwa große Vermögensverwalter, Geldmarktfonds, Pensionsfonds, Versicherungen etc.
Jedes kapitalistische Finanzsystem ist inhärent (innerlich) unvermeidlich instabil
Auch dieses System ist von ständiger innerer Instabilität bedroht. Es kann gar nicht wirklich stabil sein, weil die Zentralbanken auf der einen Seite ständig Milliarden- und Billionen-Geldbeträge hineinschießen – Stichworte „lockere Geldpolitik“ oder „Quantitative Easing“ –. Auf der anderen Seite legen sie unentwegt neue Staatsanleihen auf. Hier wird Unsicherheit durch alle mit den riesigen Geldmengen möglichen Finanzakrobatien, sprich Spekulationsgeschäften, geschürt. Dort wird den selbst verursachten Sicherheitsrisiken durch die ständige Auflage von neuen Staatsleihen zu begegnen versucht.
Mit dem Angebot des Wertpapiers „Staatsanleihe“ will der Staat an frisches Geld kommen. Er ist sogar so großzügig, dass er den Käufern dieser Anleihen das dazu notwendige Zentralbankgeld zur Verfügung stellt. Er hat schließlich das Währungsschöpfungsmonopol. Mit allen neuen Staatsanleihen aber schiebt er einen immer größeren Geldberg vor sich her. Die Endabrechnung wird auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben. Auf den Tag also, an dem die Geldberge den tatsächlichen Werten gegenübergestellt werden sollten, die sie versprechen. Das Ergebnis dürfte so lauten: „Der Berg kreißte – und gebar eine Maus“.
Aber auch damit ist nicht gesagt, dass das System dann endgültig zusammenbricht. Ohne „Kollateralschäden“ – so werden es die Verursacher darstellen – kann es eben nicht abgehen. Die Geldhebel werden wieder neu in Bewegung gesetzt und das System beginnt von neuem zu laufen.
Wullweber spricht treffend von dem „Zentralbankkapitalismus“. Zentralbanken managen ja in stillschweigender Übereinkunft mit den Staaten bzw. den Regierungen und dem privaten Großkapital dieses System.
Ob dieses System des Zentralbankkapitalismus das schaffen wird, was in der Ära einer Leitzinspolitik nicht mehr gelang – das Anschieben der Realwirtschaft –, ist noch längst nicht ausgemacht.
Die Verlierer sind immer die wirklichen Sicherheitsgaranten – die Milliarden arbeitenden Menschen
Diejenigen, die die größten Schäden davontragen, wenn es mal wieder zur Krise kommt, werden jene sein, die als Garanten für dieses System in Anspruch genommen wurden. Es werden immer die sein, die den Akteuren im Zentralbankkapitalismus mit ihrer Arbeitskraft das sicherste Wertpapier zur Verfügung stellen.
Es sei denn, sie durchschauen dieses System und beschließen, ihm nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Sie müssen sich darauf einstellen, dass sie diesen Entschluss in einer bis dahin weltweit digitalisierten und kontrollierbaren Überwachungsgesellschaft treffen müssen.